F. X. J. Schweickhardt

Die alte Feste Scharfeneck,

nächst Mannersdorf am Leithagebirge gelegen und unter dieser Benennung zugleich eine k. k. Avictical - Herrschaft.

Auf einer der hinter dem landesfürstlichen Markte Mannersdorf sich an Ungerns Grenze hinziehenden, das Leithagebirge bildenden Höhen, erheben sich in einer romantischen Waldgegend , welche »die Wüste« genannt wird und noch zum Theil mit einer sie ehemals rings umgebenden Mauer eingefaßt ist, die Ueberreste dieses alten Bergschlosses, welche nur noch in einigen einst zu Wohngebäuden und Thürmen gehörigen Mauerstücken bestehen. Ohnweit der am Fuße des Berges, von welchem sie herabblicken, gelegenen Jägerwohnung, leitet ein anmuthiger Waldpfad in seinem weitern Verlaufe bei einigen einzeln gelegenen Häuschen vorüber, welche einst zu der im Jahre 1654 von der Kaiserin Eleonore von Mantua, Gemahlin Kaiser Ferdinands II., gegründeten, im Iii. Band unsers Werkes bei der Darstellung von Mannersdorf erwähnten Einöde für Carmeliter - Barfüßer gehörten, worauf man noch einen kleinen Theil Wegs steil hinaufzusteigen hat, bis man sich sodann innerhalb der ehemaligen, auf Felsen ruhenden Beste befindet. Thürme, Wohngebäude und Thore sind längst den Zerstörungen der Zeit verfallen und zu Massen von Steinen und Gerölle versunken, nur die äußern und einige innere Mauern trotzen der Zerstörung und gewähren mit dem gewiß schon Jahrhunderte lang sie üppig und gleichsam schützend umrankenden Epheu, einen malerischen Anblick. Jedoch das Lchhnendste und Schönste, was sich dem Wanderer hier oben darbietet, ist die herrliche, in ihrer Arr wahrhaft großartige Fernsicht, welche sich vor seinen Blicken ausbreitet. Den Vordergrund dazu bildet die von Gebirgswänden umschlossene Neustädter-Ebene, die durch unzählige Ortschaften belebt, und von Waldungen, Auen und Bächen mannigfach durchschnitten wird, sich bis an die Leithagebirge erstreckt; im Süden ist solche von den hohen Gebirgsmassen um Schottwien, hinter und neben welchen die hohen steirischen Grenzalpen hervordämmern, weiterhin gegen Westen von der steilen Neustädter Steinwand und von den um Stühremberg und das Piestingthal gelegenen dunkeln Gebirgen begrenzt, hinter welchen das weiße Haupt des erhabenen Schneeberges alle Umgebungen überragend gegen die Wolken emportaucht ; mehr gegen den Vordergrund zu treten in deutlicheren und helleren Umrissen die Gebirgsreihen bei Baden und Medling hervor, die sich dann in mannigfachen Gestaltungen gegen die Donau hinziehen , bis gegen Norden in neblichter Ferne, jedoch aber nur bei sehr heiterem Wetter, der die Kaiserstadt verkündende Stephansthurm, einer Nadel gleich am Horizonte sich zeigt, hinter welchem die Flächen des Marchfeldes gleich einem Meere wogend erscheinen und endlich gegen Osten waldige, die Veste überragende Höhen die Aussicht decken.

Auffallend muß es allerdings seyn, daß >on dieser, sowohl durch ihre Lage als Bauart gewiß einst sehr bedeutenden Veste, keine Nachrichten über ihre Entstehung und Schicksale, so wie ailch kein Geschlecht, welches hier gesessen, sich auffinden lassen; denn wenn auch einer Burg und Familie Scharfe neck Erwahnung geschieht, so hat dieselbe auf die unweit Baden gelegene Ruine eines Bergschlosses gleiches Namens Bezug, weßhalb es kömmt, daß in geschichtlichen und andern sie erwähnenden Schriften beide Burgen fast stets verwechselt werden, wie dieß auch in der kirchlichen Topographie Bd. V. Seite 485 und bei Schultes der Fall ist, worauf wir im Verlauf dieser Darstellung mehrere Male zurückkommen werden.

Die Burg, welche, wie so manche andere in dieser Gegend, vielleicht auch ihr Entstehen den Vertheidigungsmaßregeln verdankt , welche im früheren Mittelalter die deutschen Bewohner Oesterreichs gegen die immer mit räuberischen Ueberfällen drohenden, damals noch wilden und rohen Ungern nehmen mußten, wird zuerst im XV. Jahrhundert geschichtlich erwähnt und erscheint als landesfürstliches Eigenthum, welches, nachdem es im Jahre 1442 Georg von Pottendorf pfandweise besaß, Kaiser F riedrich IV. im Jahre 1456 an die Grafen von St. Geo rgen und Po sing übergab, die sich durch Geldvorschüsse und feste Anhänglichkeit an den Kaiser dessen Gunst erworben hatten. Wahrscheinlich gerieth die Burg in den Kriegen dieses Kaisers mit Matthias Corvinus auch in dessen Hand, doch blieben die Besitzer, da wir als solche im Jahre 1462 Johann Sigmund Freiherrn von Weißbriach und im Jahre 1479 Johann Freiherrn von Weißbriach kennenlernen, die Scharfenegg pfandweise inne hatten; sie ward aber dann wie alle seine in Oesterreich gemachten Eroberungen in dem zwischen Kaiser Marimilian I. und W lad i sl a w König von Ungern im Jahre 1491 geschlossenen Frieden mit dem ganzen Strich Land zwischen der Leitha und dem nach ihr benannten Gebirge wieder an Oesterreich abgetreten.

Nach der Zeit, als des Königs Matthias gemachten österreichischen Eroberungen wieder an Oesterreich zurückkamen, scheinen die Freiherrn vonGravenek in den Besitz von Scharfeneck gelangt zu seyn, da nach einem im k. k. Haus-Hof-Archive vorfindigen Vergleiche cle cisro Linz den 4. Jänner 1492 über Vorspruch König Wladislaws wegen an i>en Kaiser von dieser Familie gestellter Forderung von Kaiser Friedrich IV. her verheißen ward, daß des Ulrich Graveneckers Söhne, noch bevor sie die Vogtbarkeit erreichen, aus des römischen Königs Händen das Schloß und die Herrschaft Scharfeneck sammt andern ihren Gütern empfangen sollen. Jm Jahre 1542 kam diese Herrschaft an die Erben des Kaspar Khalb in; im Jahre 1559 an Bartholom« Hönig; im Jahre 1571 an die Erben des Marimilian Freiherrn von Pohlheim und im Jahre 1595 an Johann Bavt. Franz Freiherrn von Breuner kaufweise (aus dem n. ö. stand. Gült. Buche).

Von des letzteren nachgelassenen Kindern gelangte die Herrschaft Scharfeneck im Jahre 16Z5 an das Vicedomamt in Wienunbekannt ob durch Umtausch oder Verkauf.

Spaterhin erhielt die Kaiserin Elenora von Mantua, Gemahlin Kaiser Ferdinands II. nebst mehreren andern Gütern auch diese Herrschaft zu ihrem Leibgedinge, nach deren

1655 erfolgten Tode Scharfeneck mit gleicher Bestimmung an die dritte Gemahlin Kaiser Ferdinand« III., Maria Elenora, ebenfalls eine Prinzessin von Mantua, überging, welche laut einem im k. k. Hofkammer-Archive befindlichen Donationsbriefe im Jahre 1658 den Grafen Friedrich von Cavriani auf Unterwaltersdorf, Schöngraben und Schranewand, welcher schon bei der zweiten Gemahlin Kaiser Ferdinands II. die Stelle eines Obersthofmeisters bekleidet hatte und auch bei dieser dritten Gemahlin Kaiser Ferdinands III. dieselbe einnahm, mit zehntausend Gulden Capital von ihrer Herrschaft Scharfeneck und dem daselbst haftenden Tazgelde nebst dem dazu gehörigen Markte Reisenberg beschenkte (Wisgiill Band II. z. 23).

Wenn wir daher bei der Darstellung des Marktes Reisenberg, gleich wie die kirchliche Topographie, die noch außerdem das nächst Alland gelegene Dorf Raifenmarkt mit dem Markte Reisenberg (Band IV. z,. 6Z.) verwechselt, erwähnt haben, daß derselbe von Elenora, Gemahlin Kaiser Friedrichs IV., dem Grafen Cavriani eigenthümlich überlassen worden sei, so ist diese Schenkung auf die obengenannte Kaiserin Elenora im XVll. Jahrhundert zu beziehen und dieser Jrrthum dahin zu berichtigen, daß zu Zeiten Kaiser Friedrichs IV. das Geschlecht der Cavriani aus Mantua stammend, zwar schon in Oesterreich blühte und im Jahre 1452 von ihm zur freiherrlichen Würde erhoben ward, daß aber zu eben dieser Zeit keiner dieser Familie als Graf und Obersthofmeister der Kaiserin erscheint, und erst dieser Friedrich Freiherr von Cavriani im Jahre 164Z von Kaiser Ferdinand III. in den Grafenstand erhoben wurde.

Jm Jahre 1701 verkaufte Kaiser Leopold I. die Herrschaft cm den Fürst-Bischof zu Würzburg Johann Philipp Freiherrn von Greiffenklau-Vollraths, von diesem kam sie 1705 durch Kauf an seinen Schwager, Ernst Christoph Grafen von Fuchs zu Limbach und Dorn he im, nach dessen Tode erbte sie seine zweite Gemahlin Maria, geborne Gräfin von Mollart, Erzieherin der Erzherzoginnen Töchter Kaiser Carls VI. und hochgeschätzt und geliebt von der von ihr erzogenen und gebildeten Kaiserin Maria Theresia, welche sie nach ihrem 1715 erfolgten Tode noch sogar durch Beisetzung ihres Leichnams in die kaiserliche Gruft ehrte; Kaiser Franz I. kaufte im Jahre 1754 die Herrschaft von ihren Töchtern, worauf dieselbe im Jahre 1756 an die kaiserliche Staatsgüter-Administration und 1797 an die k. k. Familien - Güter - Direction übergeben ward. - ,

Ueber den von der Veste auf die Herrschaft übergegangenen Namen läßt sich bloß die Meinung hinzufügen, daß derselbe von der eigenthümlichen Lage der Burg, gleichsam an einer scharfen, so viel wie schroffen Ecke oder'Höhe des"Gebirgs, genommen und daher die Benennung: Herrschaft Scharfeneck (die Verwaltungs - Kanzlei derselben befindet sich in Wannersdorf) beibehalten worden ist.

Die Bestandtheile der k. k. Avictical - Herrschaft Scharfeneck sind die vier Märkte: Au, Hof, Mannersdorf und Sommer ein. Diese zählen zusammen 771 Häuser, 114Z Familien, 2720 männliche, 27Z5 weibliche Personen, 792 Schulkinder, 794 Pferde, 220 Zugochsen, 1067 Kühe, 2042 Schafe, 25 Ziegen und 185 Zuchtschweine.

Den Grundstand von dieser Herrschaft vermögen wir gegenwärtig nicht genau anzugeben, weil solcher eben der Berichtigung unterzogen ist, und weder die Familien-Fondsbuchhaltung noch das n. ö. ständische Steueramt die genauen Summarien davon besitzen.

Der ganze herrschaftliche Bezirk ist gegen Osten von den Leithagebirgen und gegen Westen von dem Leithaflusse eingeschlossen. Der Markt Au liegt am südlichen Ende, an welchen sich in einer Entfernung von 1/4 Stunde der Markr Hof, und 1/2 Stunde Mannersdorf und in derselben Entfernung Sommarein in nördlicher Richrung anreihen. Alle diese vier Orrschaften liegen am Fuße der Leilhaberge und haben von der Ferne ein schönes Ansehen, welches aber ganz verändert erscheint, wenn man sich im Orte befindet. Jm Markte Au sind die Einwohner Crosten, im Markte Hof ist die Straße sammr den Häusern gar sehr schlecht, besser gebaut dagegen kann man Mannersdorf und Sommarein nennen. '

Es ist hier auch gutes Klima und Wasser vorhanden, und sowohl Jagdbarkeit als Fischerei in der Leirha sind Rechte der Herrschaft.

Vorherrschend ist der Ackerbau, minder dagegen der Weinbau und die Obstpflege. Die Gründe sind ziemlich gut, mehrere aber den Ueberschwemmungen der Leitha ausgesetzt, die der Länge nach den herrschaftlichen Bezirk begränzt und durchströmt. Die Viehzucht, den Bedarf des Landmannes umfassend, ist hier nicht besonders, bloß allein die kaiserliche Schäferei verdient eine rühmliche Erwähnung, da sie durchaus in einer original spanischen Schafheerde besteht. Die andern einzelnen Gegenstände beliebe der geneigte Leser bei den betreffenden vier Märkten der Herrschaft zu entnehmen, allwo sie umständlich aufgezählt erscheinen.

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