Von Bruck nach Sumerein
gelangt man über Sarasdorf in drei Stunden, sollte aber den kleineu
Umweg über Trautmannsdorf nicht scheuen. Eben so
weit hat man über den Kaisersteinbruch. Der Markt Sommarein (St.
Marien) ist schlecht gebaut, aber sehr alt. Die MarienPfarrkirche ist
ein schöner, gut erhaltener Bau von 1565. An der Mauer des die Kirche
umgebenden Friedhofes ist das Grabmal des italienischen Steinmetz Alexius Payos von 1591, bemerkenswerth. Auf einem Hügel gegen
den Wald steht man noch die Trümmer der ältesten Kirche, welche seit
1786 verfällt. , . ....
Am Leithagebirge sind
hier nicht weniger als 3 Steinbrüche im Betriebe, der bedeutendste ist
aber der schon in Ungarn befindliche KaiserSteinbruch. Das
Leithagebirge besteht nämlich fast ganz aus einem mit Kalkerde
gebundenen Sandsteine, der reich an Versteinerungen ist. Man mag von was
immer einem Orte die Höhe ersteigen, so wird man durch schöne
Fernsichten über
die Neustädter oder über die ungarische Ebene belohnt. Da außer Mannersdorf und
Scharfenegg keiner der Orte am Fuße des Gebirges einen Besuch verdient,
so ist es am lohnendsten, von dort aus mit einem kundigen Führer sich
auf dem Gebirge zu halten. Namentlich im Frühsommer ist die Wanderung
durch diese Laubwälder sehr reizend, die ein Lieblingsaufenthalt der
Nachtigallen sind.
Eine Stunde braucht man von Sommarein nach Mannersdorf. Es ist ein ansehnlicher Markt von 268 H., 2300 E., ziemlich
regelmäßig gebaut. Die Martinskirche ist neuerer Bauart, und enthält
nichts Merkwürdiges, außer einigen Grabsteinen, deren zwei nicht mehr
leserlich, einer aber vom Grafen Jos. von Martinez herrührt. Das Schloß
enthält nur die Wohnungen der Beamten der kaiserlichen
Familienherrschaft Scharfenegg zu Mannersdorf. Sehenswerth ist hier
eine Fabrik leonischer Waaren mit Drahtzug, welche in dem ehmaligen
Badhause etablirt ist. In demselben befindet sich auch eine jetzt
entweihte Kapelle, über deren Schicksale ein Inschriftstein belehrt:
»diese Kapelle wurde das erste Mal von einer Klosterfrau und
ungrischen Prinzessin Namens Radegundis, zu unbekannten Zeiten, dann im
Jahre 1340, wahrscheinlich nach erlittener Zerstörung, ohne Angabe,
durch wen? zum zweiten Male, und endlich zum dritten Male, im Jahre
1604, von Herrn Quarient von Raal und dessen Gattin Brigitta, gebornen
Fröhlich, erbaut. Unter dieser Kapelle entspringt eine reiche
Mineralquelle, welche in früheren Zeiten häusig gebraucht wurde, deren
Ruf jetzt aber so gesunken ist, daß das Badehaus in eine Fabrik
umgewandelt wurde. Das Wasser ist im Winter
sehr warm, im Sommer lau, klar, ohne Geschmack und Geruch. Schosulan schrieb eine Abhandlung über das Mannersdorfer Bad, 8. Wien 1783, und
Dr. Crantz fand in zwei Pf. desselben . Grabsorbirende Erde,
10Gr. Selenit und 12 Gr. Bittersalz. — Die Fabrik beschäftigt gegen
60 Familien.
Mannersdorf ist berühmt durch die kaiserliche
Schaferei, welche echt spanischer Abkunft ist. Jm Jahre 1801 kam ein
Transport spanischer Thiers hierher, zur Emporbringung der inländischen
Schafzucht. Seitdem wurde auf das sorgfältigste über der Reinhaltung
gewacht, und so wurde denn auch 1817 ein Widder um 2800 ff. verkauft.
Die Mannersdorfer Schäferei ist daher in jeder Hinsicht als eine
Musteranstalt zu betrachten. Man findet hier sorgfältige Jmpfung,
zweckmäßige Bezeichnung jedes einzelnen Stückes, und Klassifikation der
Heerde. Von den Sprungwiddern wird eine vollständige Beschreibung
verfaßt, nach Abstammung, Feinheit und Charakter der Wolle, welche von
24 Theilen des Körpers genommen wird. Nach dem Gewichte des
gewaschenen Vließes, der Art des Fettschweifes, der Gestalt und Haut des
Gerippes wird der Rang der Stammväter in Ordnungszahlen ausgedrückt.
Die Musterwolle der Mütter wird von fünf Stellen genommen. Alle Vorzüge
und Verbildungen werden notirt. Für das Gewicht des Vließes der
Zuchtthiere bestehen eigene Abwagslisten, so wie eigeneSprung» und
LämmerRegister. Schon 1810 wurde die sogenannte Thonwäsche versucht,
aber erst 1831 ein geeigneter Thon entdeckt, so daß jetzt auch die
Mannersdorfer Wäsche einen hohen Rang behauptet. Dieser Thon ist vielmehr ein Thonsilikat mit basisch
kohlensaurem Kalke, und dieser Ätzkalk gibt den wollreinigenden Körper,
in» dem er mit dem Fette Seife bildet, die durch das Was» ser dann
wieder entfernt wird. Die Mannersdorf« Wäsche
ist also eigentlich eine Kalkwäsche, und es ist zu erwarten, daß durch
diese glückliche Entdeckung die Wollwäsche überhaupt eine neue Wendung
nehmen werde. Bei Wannersdorf ist die eigentliche sogenannte
Wüste der Einsiedler.
Als nämlich die Kaiserin Eleonora von Mantua, Ferdinands II. Witwe, Mannersdorf als
Leibgeding besaß, stiftete sie hier einen Konvent für unbeschuhte
Karmeliter. Sie kam mitten im Winter hieher, und steckte selbst den
Platz ab. Fredinand der III. baute die erste Einsiedelei: St. Anton von
Padua in der Wüste, und legte den
Grundstein zur Kirche; das Ganze ward mit einer Mauer umgeben. Später
wurden noch mehre Einsiedeleien erbaut, z. B. von der ersten Gemahlin
Ferdinands III., Maria Anna, von der Tochter Erzherzogs Leopold V.,
Maria Leopoldine, vom Bischofe Georg Draskowitz von Raab, vom Bischofe
von Waitzen, Georg Pankratz, der jährlich die Fastenzeit hier
zubrachte. Unter Kaiser Joseph wurde die Wüste aufgehoben, und die Einsiedler in Klöster eingetheilt. Indessen will man den Namen, der Wüste schon
aus den ältesten Zeiten herleiten, damals nämlich, als der dakische König Burebistan mit den Skordiskern zu Cäsars Zeiten (58 Jahre vor
Christi Geburt) das Land von der Raab bis an das cetische Gebirge durch
einen schrecklichen Einfall zur Wüste
verwandelte, und die dort gehausten Bojer in die Hochgebirge vertrieb.
Dieser Strich, zumal die Strecke am Leithagebirge, wo es am hitzigsten
hergegangen seyn dürfte, wurde von den römischen Schriftstellern deserta
vel campi Bojorum, im Mittelalter aber, namentlich von
Otto von Freisingen, ausdrücklich Wüste oder Leerfeld genannt. Die Lage der Wüste in Waldeinsamkeit ist sehr reizend, und man kann mit deren Besuch zugleich den Ausflug zur Ruine
Scharfenegg
verbinden. Am Fuße des Berges liegt das Jägerhaus, wo man Erfrischungen erhält, und bei dem zur Wüste einst
gehörigen Häuschen vorbei, steigt man auf anmuthigem Waldpfade mäßig
steil zur Ruine hinan. Der Alterthümler wird nicht befriedigt, denn
wenige Mauertrümmer sind noch erhalten, selbst der Zugang ist
beschwerlich. Merkwürdig ist die Ruine nur durch das üppige herrliche
Epheu, das die Trümmer überzieht, und durch die schöne Fernsicht. Die
ganze Bucht, welche die Neustädter Ebene in das Hochgebirge
einschneidet, liegt vor dem Blicke, bis zum Wienerberge; ja man soll
sogar den Stephansthurm erblicken (?). Die Geschichte der Burg bietet
keine interessanten Momente. Sie gab der Herrschaft den Namen, welche,
wie bereits erwähnt, im 17ten Jahrhunderte ein Leibgeding der
Kaiserinnen bildete. Kaiser Leopold verkaufte sie an den FürstBischof
von Würzburg, Freiherrn von Greiffenklau Vollraths,
und von ihm erbte
sie dessen Schwägerin, die Gräfin von Mollart, Maria Theresias
Erzieherin. Kaiser Franz
kaufte sie von ihren Töchtern, und 1797 wurde sie kaiserliches Familiengut.
Von Scharfenegg kann man
gleich hinab nach dem Markte Hof, den man in drei Viertelstunden bequem
erreicht. Er ist ohne Interesse, die Ruinen des alten Spitzhofes sind
unbedeutend. Abermals drei Viertelstunden braucht man nach Au, einem
kleinen sehr alten Markte. Von hier führt die Straße gerade nach Eisenstadt, das man in 2 St. erreicht, wenn man nicht lieber über Loretto
und den Sonnberg nach Hornstein gehen will. Den Rückweg von Hof nach
Wien kann man uber Seibersdorf, Unter-Waltersdorf und Ebreichsdorf
nehmen, das man in drei Stunden erreicht ;
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