Die
Villa
Hinsichtlich
Zeitpunkt und Ort der Mannersdorfer Aufführung herrschte bisher
völlige Ungewissheit, und auch heute ist der genaue Aufführungsort
nicht leicht zu bestimmen. Die in Hofdingen sonst so gesprächige
" Wiener Zeitung" geht auf diesen Besuch mit keinem Wort ein,
und auch in den Hofannalen findet er keine Erwähnung. Lediglich
in einer lateinischen Klosterchronik der " Wüste" St.
Anna, also des 1783 aufgehobenen Klosters der Unbeschuhten Karmeliter
zu Mannersdorf, findet sich eine kurze Notiz.
Kaiserin Maria Theresia (1717 - 1780)
Ihr zufolge waren am 16.
Juli 1737 Erzherzogin Maria Theresia und ihre jüngere Schwester
Maria Anna in Begleitung der Gräfin Charlotte Fuchs nach Mannersdorf
gefahren. Gräfin Fuchs, die damalige Inhaberin der Herrschaft Scharfeneck-
Mannersdorf, war die Erzieherin und spätere Obersthofmeisterin
Maria Theresias, und nicht zuletzt mit ihrer Hilfe war deren Hochzeit
mit Franz Stefan von Lothringen zustande gekommen. Seit einigen Wochen
waren die Jungvemählten aber getrennt.
Maria Anna von Österreich (1738 – 1789)
Franz Stefan wollte
seinem berühmten Großvater, dem Türkensieger Herzog
Karl V. von Lothringen, nacheifern und war nach Serbien in den Krieg
gegen die Türken gezogen. Um die sich nach dem Gatten verzehrende
junge Mutter (sie hatte vor fünf Monaten ihre erste Tochter geboren)
etwas zu zerstreuen war die Gräfin offenbar auf den Gedanken
gekommen, für sie in ihrer Herrschaft Mannersdorf eine deutsche
Komödie aufführen zu lassen.
Maria Karolina von Fuchs-Mollard(1681 - 1754)
Nach einem Messebesuch in der
Pfarrkirche und einem Mittagessen im Schloss erschienen die hohen
Gäste um vier Uhr vor der äußeren Klosterpforte, wo
sie der Pater Prior willkommen hieß. Nach einem kurzen Gebet in
der Kapelle zum Hl. Leopold fuhr man weiter zu einer "villa",
wo man "an einem überaus lieblichen Ort" unweit der
Klostermauer einer "comoedia" beiwohnte. Was wir unter dieser
"Villa" zu verstehen haben, ist schwer zu entscheiden. In
Frage käme zunächst der Meierhof des Klosters, der auf zeitgenössischen
Plänen lateinisch als " Villa" bezeichnet wird. Im Sachregister
der Klosterchronik heißt es aber ausdrücklich, die Komödie
wurde "hinten, jenseits unserer Wüste gespielt". Auch
scheint es sich bei dieser " Villa" um ein Anwesen der Gräfin
Fuchs gehandelt zu haben.
Topographisch ist jene Stelle am wahrscheinlichsten, wo der Fährweg
Mannersdorf-Scharfeneck, den offenbar auch die Wiener Theaterleute benützten,
und der Weg aus der "Wüste" zusammentrafen. Im "Franziszeischen
Kataster" von Mannersdorf werden hier für 1819 zwei "Hofstätten"
mit Obstgärten ausgewiesen, die Mannersdorfer "Kleinhäuslern"
gehörten. Diese Waldlichtung führt den Flurnamen "Hinter
der Wüsten" - eine Benennung, die wörtlich der Beschreibung
in der Klosterchronik entspricht. Hier könnte sich vormals ein
Wirtschaftshof der nahegelegenen Burg Scharfeneck befunden haben; dadurch
fände die Fuchsische " Villa", wie sie die Quelle erwähnt,
eine Erklärung. Um sechs Uhr brach jedenfalls der hohe Besuch wieder
auf, wurde vom Prior und seinen Religiosen an der Klosterpforte verabschiedet
und begab sich über Mannersdorf zurück in das kaiserliche
Schloß Favorita (das heutige Theresianum) nach Wien.
Theateraufführungen im Freien hat es in Mannersdorf schon im 17.
Jahrhundert gegeben: 1681, zwei Jahre vor dem Türkensturm, ließ
hier - vermutlich im Schloßgarten - die damalige Herrschaftseigentümerin
Eleonora II., Gattin Kaiser Ferdinands III. und eine geborene Gonzaga
aus Mantua, die italienische Pastoraloper "Achilles in Thessalien"
aufführen. 1744 besuchte der
Wiener Hof das benachbarte Schloss Trautmannsdorf, wo abermals von der
Wiener "Komödiantenbanda" auf einem im Fasangarten errichteten
Heckentheater eine "deutsche Comedie" aufgeführt wurde.
Von Theatervorstellungen "im Wald" wird auch aus Sommerein
berichtet, das mit seinem Schloss ebenfalls zur Mannersdorfer Herrschaft
gehörte. Im September 1749 hatte dort die Gräfin Fuchs wieder
Kaiserin Maria Theresia zu Gast; es wird berichtet, daß bei diesen
Vorstellungen "von verschiedener Gattung Leuth" zusehen durften.
Von Theatervorstellungen im Schloss Mannersdorf ist auch in späterer
Zeit noch die Rede, so 1755, als Schloss und Herrschaft bereits wieder
dem Kaiser gehörten. Im Mannersdorfer Bad wurde ebenfalls Theater
gespielt: 1783 bittet Johann Georg Wilhelm, der spätere Direktor
der Stadttheater von Wiener Neustadt und Baden, "im Mannersdorfer
Baad zensurierte Schauspiele und Opern" aufführen zu dürfen,
was ihm am 21. Juni bewilligt wird. Während all diese Ereignisse
aber aus dem kollektiven Gedächtnis geschwunden sind, blieb die
Erinnerung an Maria Theresias Teilnahme an einer Mannersdorfer Weinlese
im Jahr 1743 lebendig: Das Denkmal, das man bald darauf aus diesem Anlaß
errichtet hat, steht bekanntlich noch heute.